Smarte Technik gegen den Trockenstress

HANNOVER (PM). In einem Pilotversuch testet die Stadt derzeit Sensoren, die melden, welche Wassermenge ein Baum auf öffentlichen Grünflächen benötigt. Die smarte Technik übermittelt über einen Funksender die jeweilige Information von der Wurzel online auf den Computer oder das Mobiltelefon. Diesen Pilotversuch fördert die Region Hannover im Rahmen des Projekts für „Kommunale Klimafolgenanpassung“ in Höhe von 10.000 Euro.

„Mit der Sensortechnik wollen wir das Anwachsen der Bäume optimieren und sichern, denn die ersten Jahre sind für eine langfristige Baumgesundheit entscheidend“, erläutert Manuel Kornmayer, Leiter des Bereichs Öffentliche Grünflächen (im Fachbereich Umwelt und Stadtgrün), und betont: „Darüber hinaus wollen wir mit technischer Hilfe auch verantwortungsbewusst und ressourcensparend mit dem kostbaren Gut Wasser umgehen.“

Test mit fünf „Sensorbäumen“

Rund 1.000 neue Bäume pflanzt der Fachbereich Umwelt und Stadtgrün jedes Jahr in den Straßen und in Parks im Stadtgebiet. Ein Ziel ist es dabei, die Stadt an die Klimaveränderungen anzupassen. Vor allem die jungen Bäume leiden jedoch auch unter der zunehmenden Trockenheit und Hitze in der Stadt. Fachleute nennen es „Trockenstress“.

Seit Ende Mai sind im Stadtgebiet fünf Bäume mit Sensoren ausgestattet. „Auf dem Laptop oder Tablet können wir anhand einer Grafik die Saugspannung in vier unterschiedlichen Bodentiefen erkennen. Je höher der Wert, desto trockener ist es. Sobald ein definierter Wert erreicht ist, müssen wir handeln“, sagt Bereichsleiter Kornmayer. Er ist mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden. „Die Technik ist eine tolle Ergänzung zu unserer jahrzehntelangen gärtnerischen Erfahrung. Die Sensoren liefern sehr genaue Werte für jeden einzelnen Baum. Wir haben schon so manchen Bewässerungsgang gespart, bei dem wir sonst vorsichtshalber gewässert hätten.“

Künftig will die Grünflächenverwaltung die Technik möglichst stadtweit einsetzen. Allerdings muss dafür nicht jeder Straßenbaum einen Sensor bekommen. „Für jeden Standort ist ein ‚Wächterbaum‘ angedacht, der repräsentativ die Werte ermittelt, die auch für die Bäume in der Nachbarschaft gelten“, erläutert Kornmayer.

Durstig: Jungbäume sind länger auf eine Bewässerung angewiesen

Bis vor wenigen Jahren war es noch üblich, Jungbäume im ersten und zweiten Jahr nach ihrer Pflanzung zu bewässern. Weil die Sommer aber immer heißer und trockener werden, sind die jungen Bäume mittlerweile häufig bis zu ihrem vierten Standjahr auf regelmäßige Bewässerung angewiesen. Ihre jungen Wurzeln reichen noch nicht bis zum Grundwasser heran, um sich gut selbst zu versorgen. Zugleich sind die oberen Bodenschichten oft ausgetrocknet, wenn es wochenlang nicht regnet. Darüber hinaus haben Stadtbäume oft wenig Platz, um ihre Wurzeln gut auszubilden und müssen mit kargen Bodenbedingungen zurechtkommen: Im Boden liegen häufig Versorgungsleitungen und Kabel. Oft ist der Boden in den Straßen durch Bauarbeiten oder parkende Autos so verdichtet, dass die Niederschläge abfließen, bevor Boden und Baum sie überhaupt aufnehmen können.

Die Bäume werden mittlerweile nicht nur länger bewässert, sondern auch häufiger: 100 bis 200 Liter Wasser bekommt ein junger Stadtbaum pro Bewässerungsgang, in der Regel etwa alle zwei Wochen, bei großer Wärme und starker Trockenheit noch häufiger. „An Einzelstandorten wird dann unter Umständen sogar täglich gewässert. Das kostet nicht nur viel Wasser, sondern benötigt auch entsprechende Maschinen und Personal“, sagt Manuel Kornmayer.

Sensortechnik für maßgeschneiderte Bewässerung

Wie viel und wie häufig ein Baum Wasser bekommt, stützt sich bisher vor allem auf genaue Beobachtung und jahrzehntelange Erfahrung der Gärtner*innen: Wenn die Bodenprobe Trockenheit anzeigt, die Blätter welken oder frühzeitig abgeworfen werden, ist das ein Zeichen dafür, dass der Baum Wasser braucht.

Der Wasserbedarf und die Wasseraufnahme sind dabei von Baum zu Baum unterschiedlich: Maßgeblich sind die Baumart, der schattige oder sonnige Standort eines Baumes und die Bodenbeschaffenheit. Vor allem in den eher lehmigen Böden in den südlicheren Stadtgebieten von Hannover kann es zum Beispiel vorkommen, dass der Boden zwar feucht ist, der Baum das Wasser aber nicht aufnehmen kann, weil es als sogenanntes „Bodenhaftwasser“ stark in den feinen Bodenporen gebunden wird. Sandige Böden wie im Norden Hannovers sind dagegen sehr grobkörnig und durchlässig. Dort fließt das Wasser vor allem bei Starkregen sehr schnell ab.

Eine maßgeschneiderte Bewässerung mit digitaler Unterstützung soll hier helfen: Denn Sensoren im Ballen in unterschiedlicher Bodentiefe (in 30, 60 und 90 Zentimeter) ermitteln, ob und wie viel Wasser jeder Baum aktuell braucht und aufnehmen kann. Damit wird zudem sichergestellt, dass auch tiefere Bodenschichten ausreichend durchfeuchtet werden. Dadurch können sich die Bäume zukünftig und auch in trockeneren Perioden besser mit Wasser versorgen. Sie werden langfristig widerstandsfähiger.

Förderprojekt „NuTree“

Auf digitaler Unterstützung basiert auch das EU-Förderprojekt „NuTree“, an dem die Landeshauptstadt Hannover neben weiteren niedersächsischen Kooperationspartnern beteiligt ist: Ziel des bis Ende 2024 laufenden Projekts ist es, den Gesundheitszustand und die die Wasserversorgung der Bäume schon von der Anzucht in der Baumschule über den Transport bis zum Endstandort lückenlos zu überwachen und zu optimieren. Neben Sensortechnologie wird hier auch KI-gestützte Modellierung weiterentwickelt und getestet. Die Stadt Hannover, die für das Projekt EU-Fördermittel in Höhe von 90.000 Euro erhält, ist mit der städtischen Baumschule Produzentin und Endverbraucherin zugleich und hat damit sozusagen eine Doppelrolle im Projekt.

Baumbewässerung auf Grünflächen der Stadt – Daten und Fakten auf einen Blick:

  • Bewässert werden für gewöhnlich Jungbäume bis zum vierten Standjahr;
  • 100 bis 200 Liter Wasser pro Bewässerungsgang, im Regelfall etwa alle 14 Tage;
  • 1:3 ist das Verhältnis als selbst gesteckte Zielvorgabe von Baumfällung zu Baumpflanzung – Bedarf an Bewässerung wird damit weiter steigen;
  • Jährlich rund 1.000 neue Bäume in Grünflächen gepflanzt (Jungbäume überwiegend aus der städtischen Baumschule);
  • Kostensteigerung der Bewässerung (allein für Parks und Straßenbäume): von 220.000 Euro in 2020 auf voraussichtlich rund 500.000 Euro in 2022.
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