Endlich wieder Kita, so liefen die ersten Tage
Hannover. Wer Kinder, Eltern oder Erzieher zu Corona befragt, kriegt eine klare Antwort: NICHT lustig! Die Covid-19-Pandemie ist seit Mitte März eine Herausforderung für alle kleinen und großen Menschen, für jede Familie und jede Einrichtung für Kinder. Seit dieser Woche herrscht in den Krippen und Kitas nun wieder „Regelbetrieb“, alle Kinder haben Anspruch auf eine Betreuung.
Dass es in den Kitas aber doch anders als in der Vor-Corona-Zeit läuft, fällt sofort auf. Überall sind Hygiene-Hinweisschilder, in den Eingängen hängen vermehrt Desinfektionsmittelspender. In vielen Einrichtungen werden die Kinder vor der Tür abgeben und wieder abgeholt, und wer eine große Außenanlage hat, konnte Spielbereiche für die einzelnen Gruppen abtrennen, damit sich die Kinder auch draußen nicht mischen. Selbstverständlich tragen alle Eltern beim Bringen und Holen Masken und wahren Abstand, Gespräche werden bewusst kürzer gehalten als sonst. Aber ansonsten läuft alles wieder normal? Nicht ganz, sagen drei Johanniter-Einrichtungsleiter aus Kitas in Laatzen, Hainholz und Wunstorf und berichten von dieser Woche und ihren Erfahrungen aus den vergangenen Monaten.
Vanessa Baum, Leiterin des Familienzentrums „Hainholzer Hafen“ in Hannover-Hainholz: „In unserer Kita werden 80 Kinder betreut, etwa 300 Menschen gehen hier täglich ein und aus. Viele unserer Familien leben im sozialen Brennpunkt. Sieben oder sogar neun Menschen in einer Drei-Zimmer-Wohnung ist hier nicht selten. Das Kindeswohl steht bei uns immer an oberster Stelle, in der Corona-Zeit, als die Kinder nicht mal auf den Spielplatz konnten, ganz besonders.“ Als Mitte März beschlossen wurde, die Kindertagesstätten zu schließen, erstellte Vanessa Baum noch am gleichen Tag für 24 Mitarbeiter aus drei Johanniter-Kitas in Hannover Arbeitspläne fürs Homeoffice. Vier Wochen lang koordinierte sie die Kollegen, versuchte ihnen so viel Ruhe, Sicherheit und Orientierung zu geben, wie nur möglich. Gleichzeitig wuchsen bei ihr und ihren die Kollegen die Sorgen. Wie geht es den Kindern? Was läuft in den Familien? Selbst unter größtem Einsatz können Telefonate einen persönlichen Kontakt und Eindruck nicht ersetzen. In Absprache mit der Stadt bot der Hainholzer Hafen deshalb ab Mitte April eine Notbetreuung an. Weniger damit Väter und Mütter ihren systemrelevanten Berufen nachgehen konnten, sondern um die über Wochen angestauten Spannungen in den Familien abzubauen. „Die Eltern waren sehr dankbar und erleichtert, als wir uns bei ihnen meldeten“, sagt Vanessa Baum. Ebenso die Kinder. Inzwischen sind fast alle Kinder wieder im Hainholzer Hafen. Wie groß der Stress zuhause war, erleben die Erzieher in diesen Tagen. Vanessa Baum: „Bei manchen arbeiten wir die Erlebnisse aus der Corona-Zeit gerade auf.“
Diana Dettke, Leiterin der Betriebs-Kindertagesstätte „KinderZeit“ in Wunstorf: „Was unsere pädagogische Arbeit betrifft, katapultieren die Corona-Vorgaben uns gerade zurück ins Mittelalter.“ In der KinderZeit werden 60 Kinder zwischen ein und sechs Jahren betreut. Zu den Grundprinzipien des Hauses gehört, dass sie vieles mitbestimmen dürfen. Zum Beispiel, womit sie sich beschäftigen und mit wem sie spielen wollen. Geht zurzeit aber nicht, die Gruppen Mini, Mixi und Maxi müssen unter sich bleiben. Feste Essenszeiten gibt es in der KinderZeit eigentlich auch nicht. Hier können die Mädchen und Jungen selbst entscheiden, wann sie zum Mittagessen gehen. Wie finden sie denn die neuen Regeln? „Die Kinder sind vor allem froh, dass sie wiederkommen dürfen und haben sich schnell umgewöhnt“, sagt Diana Dettke. Die Betreuer sehen es derweil als eine Herausforderung, trotz der behördlich gesetzten Grenzen Freiräume zu schaffen und die Selbstständigkeit der Kinder weiter zu fördern. Vom ersten Tag der Schließzeit an hatten sie Kontakt zu den Familien gehalten, täglich wurden Videos gedreht, viele persönliche Briefe gingen zwischen der Kita und den Familien hin und her. Vielleicht klappte die Wiedereingewöhnung auch deshalb bei ausnahmslos allen problemlos. Diana Dettke genießt den ins Haus zurückgekehrten Trubel, auch wenn sie die Corona-Regeln als „einen erheblichen Einschnitt in den pädagogischen Fortschritt“ empfindet. Immerhin kann sie jetzt wieder mittendrin und dabei sein, weil das (Sorgen-)Telefon in ihrem Büro nicht mehr permanent klingelt.
Andreas Ott, Leiter der Kita „Pinienweg“ in Hannover-Laatzen: „Es war Freitag, der 13. März, da wurde der Stecker gezogen.“ Einrichtungsleiter Andreas Ott erinnert sich genau. Die Kita Pinienweg mit Platz für 100 Kinder war gerade erst eröffnet und am 3. Februar an den Start gegangen. 23 Kinder in fünf Gruppen wurden Mitte März eingewöhnt, mit jedem Monat wären neue hinzugekommen. So aber stand das große, neue Haus erstmal wieder leer. Dafür klingelte auch bei Andreas Ott das Telefon fast ohne Unterlass. „Es gab von Elternseite viel Redebedarf, aber auch viel Verständnis“, sagt der Kita-Leiter im Rückblick. Sein Team erstellte Videos für die Familien, vor der Tür der Forscherkita wurde eine Ideenkiste mit Material für Experimente, Spielideen, selbst gestaltete Puzzles und Spiele aufgestellt. Das war ein Angebot, das von den Eltern dankbar angenommen wurde. Nicht nur, um Zuhause etwas zu tun zu haben, sondern auch, um ein Ziel für einen Ausflug zu haben oder ein kurzes Gespräch mit dem Kitaleiter durchs geöffnete Bürofenster führen zu können. Im Pinienweg sind 58 Kinder zurzeit in der Betreuung, im August folgt ein großer Schwung mit Neuzugängen, dann sind die Gruppen endlich voll. Eines bedauert der Kita-Leiter sehr: „In der Corona-Zeit wurden der Garten gestaltet und alle Spielgeräte aufgestellt. Nur wenige Kinder konnten die Baustelle miterleben. Eigentlich total schade.“