Corona und die Folgen: Der Immobilienmarkt 2020
REGION HANNOVER (PM). Auch der Immobilienmarkt in der Region Hannover steht zur Jahresmitte im Zeichen von Corona. Wobei die Auswirkungen auf die einzelnen Teilmärkte unterschiedlich ausfallen: Nach dem zunächst sehr guten Start ins Jahr 2020 gelten nun insbesondere Einzelhandel, Hotel und Gastronomie in Hannover als am schwersten betroffen.
Doch auch in den derzeit vergleichsweise unbeeindruckten Segmenten Wohnen, Büro und Logistik können Auswirkungen der durch die Pandemiebekämpfung verursachten Wirtschaftskrise nicht ausgeschlossen werden. Den gemeinsam mit der bulwiengesa AG und 25 marktprägenden Unternehmen erstellten „Immobilienmarktbericht 2020“ haben Ulf-Birger Franz, Wirtschaftsdezernent der Region Hannover, und Uwe Bodemann, Stadtbaurat der Landeshauptstadt Hannover, heute vorgestellt.
Wie Hannovers Immobilienwirtschaft die Corona-Krise meistern wird, ist aus Sicht der meisten Marktakteure derzeit noch nicht deutlich absehbar. Marktdaten, die üblicherweise zur Bewertung genutzt werden, sind nur bedingt aussagekräftig oder nur vorsichtig interpretierbar. Für die Autoren der Bestandsaufnahme ist für das laufende Jahr aber schon jetzt ersichtlich: Corona hinterlässt deutliche Spuren auf dem regionalen Markt für Gewerbe- und Wohnimmobilien. „Zwar hat sich der Standort Hannover in der Vergangenheit bei Krisen weniger verletzlich gezeigt als andere Regionen in Deutschland, doch ist in diesem Jahr die Fallhöhe in allen Teilmärkten aufgrund des außergewöhnlich guten Vorjahres besonders hoch“, so Stadtbaurat Uwe Bodemann.
Investmentmarkt
Ulf-Birger Franz, Wirtschaftsdezernent der Region Hannover: „2019 war mit einem Investmentvolumen von rund einer Milliarden Euro in der Region Hannover ein absolutes Rekordjahr!“ Fast 200.000 Quadratmeter Büroflächen- und 380.000 Quadratmeter Logistikflächenumsatz sind absolute Rekordwerte. Die Vorjahresspitzenmiete von 18 Euro/Quadratmeter für Büros stellt einen neuen Spitzenwert dar. Auch in den Bereichen Hotel und Einzelhandel ist Hannover im vergangenen Jahr sehr gut aufgestellt gewesen. Der Wohnimmobilienmarkt ist seit Jahren von einer starken, kaum zu befriedigenden Nachfrage geprägt.
Entsprechend vielversprechend verlief das erste Quartal 2020. So war kurz vor Beginn des Corona-bedingten Lockdowns eigentlich davon auszugehen, dass das Jahresergebnis 2020 wieder ein ähnliches Niveau wie in den vorangegangenen Rekordjahren erreichen könnte. Es ist anders gekommen. Hoffnung macht Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter des auf Immobilien spezialisierten Analysehauses bulwiengesa. Er ist sich im deutschen Standortvergleich sicher: „Der Immobilienstandort Hannover hat das Potenzial, diese beispiellose Krise nachhaltig bewältigen zu können. Für alle Teilmärkte gilt: Hannover hat in der Vergangenheit eine belastbare und vielfältige ökonomische Basis entwickelt, die bei Immobilieninvestoren als wesentliche Voraussetzung für Investitionen gelten. Das ist trotz aller Schwierigkeiten eine gute Voraussetzung, diese Krise zu bestehen – selbst in der Innenstadt.“ Allerdings sei nicht davon auszugehen, dass das starke Vorjahresergebnis wiederholt werden könne.
Büro
Aktuell präsentiert sich der Büroimmobilienmarkt weitgehend stabil und unbeeindruckt. Die Halbjahresbilanz weist zunächst keine Rückgänge auf: Zur Jahresmitte 2020 liegt der Büroflächenumsatz bei rund 100.000 Quadratmetern; die Spitzenmiete hat nur leicht nachgegeben und liegt immer noch auf hohem Niveau im Vergleich zu den letzten Jahren. Getragen wird der positive Eindruck des ersten Halbjahres von einem außergewöhnlich starken ersten Quartal. Mit Beginn der Corona-Einschränkungen ist das Marktgeschehen aber auch auf dem lokalen Büroimmobilienmarkt zum Erliegen gekommen. Diese anfängliche Phase der Unsicherheit scheint zur Jahresmitte zunächst überwunden. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Büroflächenumsätze bis zum Jahresende tatsächlich entwickeln werden.
„Die Nachfrage nach Büroflächen ist vor allem von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Zudem ist offen, wie sich die krisenbedingte Ausweitung digitaler Arbeitsprozesse und der Ausbau des Home-Office mittelfristig auswirken werden“, so Ulf-Birger Franz. Möglich sei auch, dass die Trends zu flexiblen Büroflächenanmietungen und Co-Working, die zuletzt auch in Hannover festzustellen waren, den Büromarkt in Zukunft noch stärker prägen könnten.
Logistik
Bereits in den ersten Wochen der Corona-Krise hat die Logistikwirtschaft ihre Systemrelevanz unter Beweis gestellt und gezeigt, dass die Branche zur Versorgung unverzichtbar ist. Die Krise hat die vor- und nachgelagerte Logistik für den wachsenden Onlinehandel gestärkt. Für Immobilien und logistische Infrastrukturen, die vor allem für Industrielogistik ausgelegt sind, ist die Lage hingegen derzeit angespannt und hat insbesondere die Automotive-Branche stark getroffen. Mittel- bis langfristig sei allerdings wieder von erhöhten logistischen Flächenbedarfen in der Region Hannover auszugehen.
Wohnen
Nach einer kurzen Corona-Flaute, die vermutlich eher einer allgemeinen abwartenden Haltung und Unsicherheit zu Beginn des Lockdowns geschuldet gewesen ist, zeigt sich der Wohnimmobilienmarkt derzeit krisenfest und vergleichsweise unbeeindruckt von den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die überwiegende Mehrheit der regionalen Marktakteure sieht aktuell noch keinen negativen Einfluss durch Corona auf die laufenden und geplanten Projekte. Die Kaufpreise und Mieten sind weiterhin stabil bis leicht steigend. „Der hannoversche Wohnimmobilienmarkt spürt kurzfristig kaum Auswirkungen der Krise – der Bedarf an Wohnimmobilien ist ungebrochen“, stellt Baudezernent Bodemann fest: „Stadt und Region dürfen trotz der Corona-Krise nicht nachlassen, lebenswerte und nachhaltige Stadtquartiere zu entwickeln und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“
Einzelhandel
Der Einzelhandel in Stadt und Region Hannover muss sich neu sortieren, auch dies ist eine Erkenntnis des Immobilienmarktberichtes. Eröffnungen neuer Handelskonzepte in Hannovers Innenstadt sind vorerst weitgehend ausgesetzt, die Nachfrage nach klassischen Handelsflächen zunächst vollständig eingebrochen. Der Lebensmitteleinzelhandel beziehungsweise die Nahversorger konnten sich dank ihrer Grundversorgungsfunktion dem Corona-Abwärtstrend im übrigen Einzelhandel entziehen und den Umsatz teilweise erheblich steigern. Diese erhöhte krisenbedingte Nachfrage hat sich inzwischen normalisiert. Und auch in Hannovers Innenstadt werden wieder 70 bis 80 Prozent der Vorjahreswerte bei den Passantenfrequenzen erreicht. Zwischenzeitlich waren die Besucherzahlen in einzelnen Haupteinkaufsstraßen um über 80 Prozent zurückgegangen.
Hotel
Der Hotelmarkt spürt die Auswirkungen der Pandemie besonders deutlich. Ein Ausbleiben von Geschäftsreisenden, Absagen von Messen und anderen Großveranstaltungen und Reiseeinschränkungen haben die Hotels in den letzten Wochen extrem belastet. Und auch die ersten Lockerungen haben mit Blick auf die nationalen Marktdaten und übertragen auf die Region Hannover die Situation nur bedingt entspannt. Insbesondere die Hotellerie in den Städten ist noch weit entfernt von Erlösen, die kostendeckend oder gar gewinnbringend wären. Hotels zählten in den vergangenen Jahren auch in Hannover zu den verstärkt nachgefragten Anlageklassen. Ob die zahlreichen Projekte, die in der Pipeline stecken, allerdings tatsächlich realisiert werden, ist fraglich. Aktuell sind viele Verhandlungen und strategische Projekte auf Eis gelegt, die Verhandlungen abgebrochen oder ausgesetzt. Die regionalen Marktakteure erwarten, dass vor allem die Hotellerie und damit der Hotelimmobilienmarkt am längsten brauchen wird, um die Folgen der Corona-Krise zu bewältigen.
Der Immobilienmarktbericht
Der Immobilienmarktbericht wurde von der Region Hannover gemeinsam mit der Landeshauptstadt und weiteren 25 Partnerinnen und Partnern aus der regionalen Immobilienwirtschaft erarbeitet. Seit 2004 arbeitet die Projektgruppe mit der bulwiengesa AG zusammen. Aufgrund der Corona-Pandemie und der Absage der internationalen Gewerbeimmobilienmesse EXPO REAL in München werden die Ergebnisse der Immobilienexpertinnen und Experten in diesem Jahr bereits jetzt einer Kurzversion veröffentlicht