Krankenhausbeschäftigte fordern Bund zum Handeln auf
2.500 Mitarbeitende aus Krankenhäusern demonstrieren auf dem Opernplatz
HANNOVER (PM/red). Rund 2.500 Mitarbeitende von Krankenhäusern aus ganz Niedersachsen, Bremen und Bremerhaven haben heute während einer gemeinsamen Protestkundgebung in Hannover auf die dramatische wirtschaftliche Schieflage der Kliniken aufmerksam gemacht. Von der Bundesregierung forderten sie einen Inflationsausgleich und die vollständige Finanzierung von tariflichen Lohnkostensteigerungen.
Die von der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) organisierte Kundgebung auf dem Opernplatz fand im Rahmen eines bundesweiten Protesttags unter dem Motto „Alarmstufe Rot: Krankenhäuser in Not!“ statt. In Anwesenheit von Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi forderten Vertreter der „Niedersächsischen Allianz für die Krankenhäuser“ die politisch Verantwortlichen auf, schnellstmöglich ein Vorschaltgesetz zur wirtschaftlichen Absicherung der Kliniken auf den Weg zu bringen.
„Corona-Pandemie und Inflation haben die Finanzreserven der Krankenhäuser aufgezehrt. Dennoch verweigert die Bundesregierung den Kliniken weiterhin einen vollständigen Inflationsausgleich. Auch mit den für 2024 vereinbarten Tarifsteigerungen werden die Krankenhäuser alleingelassen“, unterstrich Dr. Hans-Heinrich Aldag, Vorsitzender der NKG. „Die Tariferhöhung für die Mitarbeitenden ist vollkommen verdient. Die Krankenhäuser wollen diese Erhöhung zahlen. Viele Kliniken werden das aber finanziell nicht verkraften. Die Bundesregierung muss den Rahmen für eine vollständige Finanzierung schaffen. Sie weigert sich aber. Aufgrund dieser unterlassenen Hilfeleistung müssen sich Krankenhäuser überschulden und werden in die Insolvenz getrieben,“ so Dr. Aldag.
„Die Beschäftigten in den Krankenhäusern haben heute in engem Schulterschluss von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein unmissverständliches Signal in Richtung Berlin gesendet: Bundesgesundheitsminister Lauterbach muss endlich der Verantwortung seines Amtes gerecht werden und handeln, anstatt dem Krankenhaussterben weiter tatenlos zuzusehen“, betonte Helge Engelke, NKG-Verbandsdirektor. „Die Krankenhäuser in Niedersachsen sind so gefährdet wie nie zuvor. Extrem gestiegene Preise zwingen viele Kliniken in die Knie. Spätestens im kommenden Jahr droht der finanzielle Kollaps. Die Sicherheit der Patientenversorgung steht auf dem Spiel,“ mahnte Engelke.
Weitere Kundgebungen und Demonstrationen fanden im Zuge des bundesweiten Protesttags am 20. September in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Mainz, Saarbrücken und Stuttgart statt.
Gesundheitsminister Philippi: „Wir brauchen Krankenhäuser für die Krankenhausreform!“
Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi äußerte sich auf der Protestkundgebung: „Die Krankenhauslandschaft steht vor einer Zäsur: Mit der geplanten Krankenhausreform sollen die Finanzierung auf eine neue Grundlage gestellt, Konzentrationsprozesse befördert und Qualitätsverbesserungen erreicht werden. Das ist alles wichtig und richtig. Aber bis die Krankenhausreform Wirkung entfalten kann, wird noch sehr viel Zeit vergehen: Es gibt noch kein Gesetzgebungsverfahren, bislang liegt nicht einmal ein Gesetzentwurf zur Krankenhausreform vor. Von der weiteren Abstimmung zwischen Bund und Ländern, dem Inkrafttreten, der Umsetzungsphase in den Ländern und der Umstellung der Finanzierung auf Vorhaltepauschalen in den Jahren 2025/2026 ganz zu schweigen.
Zeit ist aber genau das, was wir nicht haben. Aktuell steht vielen Kliniken das Wasser bis zum Hals:
Steigende Energiekosten, Tarifsteigerungen und nicht zuletzt die anhaltend hohe Inflation setzen das Krankenhauswesen unter Druck. Bund und Krankenkassen sind in der Pflicht, hier gegenzusteuern. Die aktuellen Preistreiber schlagen auf die laufenden Betriebskosten durch und für diese ist nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nun mal der Bund zuständig. Wenn der Bund nicht schnell handelt, rennt uns die Zeit davon.
Wir brauchen daher dringend ein Vorschaltgesetz, um die Liquidität insolvenzgefährdeter Kliniken kurzfristig sicherzustellen. Eine finanzielle Sicherung, die der Krankenhausreform vorgeschaltet wird, damit die meisten Krankenhäuser die geplante Reform überhaupt noch erleben.
Wir brauchen Krankenhäuser für die Krankenhausreform!
In Zukunft wohl nicht mehr jedes jetzt vorhandene – es ist klar, dass wir in Zukunft mehr Qualität als Quantität benötigen. Aber jetzt geht es um schnelle Hilfe, damit wir in gesteuerte Prozesse von Kooperationen und Zusammenschlüssen kommen. Wir müssen die Zeit überbrücken, um diese Konzentrationsprozesse vor Ort aktiv mit den Regionen zu gestalten. Dann kann auch die Krankenhausreform gelingen. Ein ungesteuertes Krankenhaussterben hingegen macht die Krankenhausreform zum Zufallsprodukt.
Wenn der Bund die Krankenhauslandschaft nicht stabilisiert, kommen Länder und Kommunen auch in arge argumentative Schwierigkeiten den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber. Niemand wir das Werben für die Krankenhausreform verstehen, wenn über dem eigenen Krankenhaus das Damoklesschwert der Insolvenz schwebt oder das Krankenhaus bereits geschlossen wurde. Es geht also auch um ein politisches Signal, dass der Staat zur Daseinsvorsorge steht und echte Verbesserungen in der Versorgung erreichen will. Das ist jetzt nötig, um Akzeptanz für die Transformation in den kommenden Jahren zu schaffen.
Die Niedersächsische Landesregierung wird den Druck in Richtung Bund weiterhin hochhalten, damit das Vorschaltgesetz kommt.“