Fast wie neu: Gartentheater eröffnet frisch saniert

HANNOVER (PM). Das Gartentheater der Herrenhäuser Gärten sieht aus wie neu: Die über 300 Jahre alte Spielstätte im Großen Garten hat ihre ursprüngliche Gestaltung zurückerhalten. Seit Ende 2019 wurde sie in zwei Bauabschnitten wiederhergestellt. Augenfällig sind vor allem die neu gepflanzten Lindenbäume und Hecken im Bühnenraum und die goldglänzenden Figuren. Statt vorher 18 zieren nun 30 mythische Gestalten die Bühne und den Zuschauerbereich. Ronald Clark, Direktor der Herrenhäuser Gärten, strahlt: „Wir haben viele Jahre lang darauf hingearbeitet, das Gartentheater in seinen historischen Zustand zu versetzen. Es ist das erste vollständige Heckentheater in der Gartenkunstgeschichte und weltweit einmalig!“

Insgesamt hat die Sanierung des Theaters 500.000 Euro gekostet. Zusätzlich hat die Wenger-Stiftung für Denkmalpflege die Aufarbeitung der goldenen Figuren mit 125.000 Euro gefördert. Bereits 2009 hatte die Stiftung dafür 354.000 Euro aufgewendet. „Es handelt sich um ein herausragendes Kulturdenkmal von besonderer internationaler Bedeutung in Hannover beziehungsweise in Niedersachsen, das in seiner weitgehenden Erhaltung einzigartig ist“, sagt Dr. Peter Königfeld, Vorstand der Wenger-Stiftung für Denkmalpflege.

Die Sanierungsmaßnahmen sind in intensiver Abstimmung mit der städtischen Denkmalpflege, dem Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL) der Leibniz Universität Hannover und dem Landesamt für Denkmalpflege entwickelt worden. Unterstützung leistete das Hamburger Planungsbüro Dittloff + Paschburg.

Für Besucher*innen des Großen Gartens ist das Gartentheater ab sofort wieder zu besichtigen. Bespielt wird es wieder ab 26. Juni als Teil des „Kleinen Bühnen-Fests“; im August ist es Schauplatz der „Sommernächte im Gartentheater“.

Vorher

Im 20. Jahrhundert hatte man Veränderungen vorgenommen, die sich vor allem in der Raumaufteilung und der räumlichen Wirkung ausdrückten. Das Gartentheater war in eine Freilichtbühne mit Orchestergraben und technischen Installationen verwandelt worden, die einst so kunstvolle Raumwirkung blieb dabei auf der Strecke. Kastenförmig geschnittene Bäume verdeckten Sichtachsen, Heckenbögen verengten eine wichtige Querachse. Bäume und Statuen wurden aus dem Zuschauerbereich entfernt, was die ursprüngliche Verbindung zwischen Bühne und Amphitheater beeinträchtigte.

Nachher

Die neuen Linden auf der Bühne erhalten künftig wie zu Kurfürstin Sophies Zeiten einen kegelförmigen Schnitt. Der Kronenansatz liegt über den Hecken, so dass ein Streifen Himmel frei bleibt. Gemeinsam mit den Figuren fungieren die Linden nach der Neupflanzung wieder als wichtiges Bindeglied zwischen Zuschauerraum (Amphitheater) und Bühne. Auch ein Teil der Hainbuchenhecken wurde neu gepflanzt. Dadurch konnten zwei ursprünglich vorhandene Durchgänge durch die Kulissenhecken wiederhergestellt werden.

Auf der Balustrade der Kleinen Kaskade am Ende der langgezogenen Bühne stehen jetzt wieder vier goldene Figuren. Es sind drei Bronzerepliken der vorhandenen Figuren aus den 1970er Jahren und eine originale Bleifigur. Seit etwa 200 Jahren standen hier keine Statuen mehr.

Der schon lange nicht mehr genutzte Orchestergraben ist verschwunden; den Zuschauerbereich zieren wieder Bäume und Statuen. Die Treppenanlagen des in den 1960er Jahren angelegten Tunnels unter der Bühne, in dem die Schauspieler*innen von einer Seite der Bühne unbemerkt zur anderen wechseln konnten, wurde geschlossen. In Abstimmung mit BUND und NABU ist der Bereich als Winterquartier für Fledermäuse hergerichtet worden.

Die goldenen Figuren

Von den um 1690 angeschafften 27 vergoldeten Bleifiguren sind noch 18 Originale erhalten. Sie wurden mit Mitteln der Wenger-Stiftung für Denkmalpflege aufwändig saniert und 2009 wieder im Gartentheater aufgestellt. 1974 waren die stark beschädigten Originale ausrangiert und durch robuste Bronzekopien ersetzt worden. Diese 12 Jahre lang eingelagerten „Doppelgänger*innen“ sind nun ebenfalls saniert und frisch vergoldet worden und gesellen sich – äußerlich nicht zu unterscheiden – zu den Originalen. Die Nachahmung des Originalzustands hat allerdings Grenzen. Es ist zwar aus Plänen und Stichen bekannt, dass Figuren im Zuschauerraum gestanden haben. Welche Figuren dort ursprünglich gestanden haben, weiß man jedoch nicht. „Zum Wesen dieses höfischen Festraumes gehörte es auch, dass die vergoldeten Figuren, die die Bühne und das Amphitheater (= Zuschauerraum) umrundeten, den Besucher in ihre Mitte aufnahmen und sinnbildlich in das Goldene Zeitalter entführten“, erläutert Dr. Peter Königfeld. Die Figuren seien nicht als bloße Staffage zu verstehen. Vielmehr sollten sie quasi Mitspielende sein, die sich mit Blicken und Gesten zum Bühnengeschehen mit seinen reich kostümierten Darstellern hinwendeten.

Bleifiguren waren in der Renaissance und im Barock ein beliebter Ersatz für die viel teureren Figuren aus Bronze. Blei ist aber leider auch viel empfindlicher als Bronze, so dass europaweit nur wenige Figuren erhalten geblieben sind. Es gibt sie heute nur noch in Herrenhausen und Lissabon. Die Figuren sind Nachbildungen berühmter Vorbilder aus der Antike, wie es der Mode beim Gartenschmuck des Barocks entsprach. Dazu gehören Borghesische Fechter, im Original im Pariser Louvre zu sehen, und die Venus Medici, heute in Florenz ausgestellt. Umgeben sind sie von tanzenden und musizierenden Faunen, mythischen Naturgeistern aus dem Gefolge des sinnenfrohen Dionysos.

Wegweisende Gartenkunst

Das um 1690 errichtete Gartentheater Herrenhausen ist nach derzeitigem Stand der Forschung das älteste Heckentheater in der Gartenkunstgeschichte und war von wegweisender Bedeutung für die Entstehung weiterer Gartentheater, die aber alle nicht mehr vorhanden sind. Es wurde als barocke Kulissenbühne angelegt, aber auch als Festraum, in dem gefeiert wurde. Weltweit einmalig sind seine Größe, seine reiche Ausstattung, die Verbindung von Zuschauerraum und Bühne sowie die Eingliederung in die gesamte Gartenanlage. Es ist in drei Teile gegliedert: Kulissenbühne, Zuschauerränge und Königsbusch. Die Bühne hat wie ein richtiges Theater eine Bühne, Seitenbühnen, Kulissengänge und Garderoben. Die Zuschauerränge mit sieben ansteigenden Terrassen bieten Platz für bis zu 450 Zuschauer*innen. Im Königsbusch mit seinen Hecken und den Büsten bedeutender Welfen des 17. Jahrhunderts konnte man lustwandeln. Das Theater wurde nicht nur für Opern-, Ballett- und Theateraufführungen genutzt, sondern war auch Festraum im Freien für Bälle und Maskeraden.

Zahlen – Daten – Fakten

  • 38 neu gepflanzte Linden, circa 8 Meter hoch
  • 200 Meter neu gepflanzte Hainbuchenhecken
  • 18 originale vergoldete Bleifiguren
  • 12 vergoldete Bronzerepliken
  • 8 geweißte Sandsteinfiguren
  • 2 geweißte Sandsteinvasen
  • Amphitheater für bis zu 450 Zuschauer*innen
  • Kosten der Sanierung: 500.000 Euro
  • Fördermittel der Wenger-Stiftung: 125.000 Euro (plus 354.000 Euro im Jahr 2009)
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