Neue Studie beleuchtet historische „Völkerschauen“ im Zoo Hannover
Historiker analysieren Zurschaustellung von Menschen zwischen 1878 und 1932
HANNOVER (redu). Der Zoo Hannover hat eine umfassende Studie zur Zurschaustellung von Menschen in der Zeit von 1878 bis 1932 veröffentlicht. Die Untersuchung von Dr. Clemens Maier-Wolthausen und Dr. Franziska Jahn bietet detaillierte Einblicke in die historischen ‚Völkerschauen‘ und steht nun zum Download bereit.
Zwischen 1878 und 1932 präsentierte der Zoo Hannover nicht nur exotische Tiere, sondern auch Menschen, vorwiegend aus Kolonialgebieten. Diese als ‚Völkerschauen‘ bekannten Veranstaltungen wurden nun in einer neuen Studie von Dr. Clemens Maier-Wolthausen und Dr. Franziska Jahn umfassend untersucht. Der Bericht, der über 150 Seiten umfasst, ist ab sofort auf der Website des Zoos verfügbar.
„Um die Zukunft zu gestalten, müssen wir aus der Geschichte lernen“, erklärte Zoo-Geschäftsführer Andreas M. Casdorff bei der Vorstellung der Studie. Casdorff betonte, dass die bisherigen Zoopublikationen das Thema unzureichend behandelt hätten, weshalb die Historiker beauftragt wurden, diese Lücke zu schließen. Der Zoo hatte dabei keinen Einfluss auf die Vorgehensweise und den Inhalt der Studie.
Die Studie bietet einen umfassenden Überblick über die im Zoo Hannover gezeigten Zurschaustellungen und basiert auf umfangreichen Recherchen, einschließlich systematischer Zeitungsanalysen und anderer Publikationen zu ‚Völkerschauen‘. Historiker Maier-Wolthausen hob hervor, dass diese Untersuchung die erste ausführliche Studie zu diesem Thema in Hannover darstellt.
‚Völkerschauen‘ waren ab den 1870er Jahren ein weitverbreitetes kulturelles Phänomen und fanden an verschiedenen Orten wie Theatern, Jahrmärkten und Zoos statt. Die Studie identifiziert etwa 550 solcher Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum, von denen 14 sicher im Zoo Hannover stattfanden. Weitere 37 wurden an 15 anderen Orten in Hannover durchgeführt.
Die in der Studie beschriebenen Schauen umfassen detaillierte Informationen zu den gezeigten Gruppen, ihrer Herkunft, den Bedingungen vor Ort sowie der Rezeption durch das Publikum und die Presse. Zudem wird die Motivation der Teilnehmenden und die Darstellung der ‚Fremden‘ untersucht.
„Ein ‚Sinn‘ der Schauen bestand in der Bestätigung festgelegter Wertigkeitsskalen“, erklärte Maier-Wolthausen. Das Publikum kam oft aus Neugier oder dem Wunsch, andere Kulturen kennenzulernen, doch die Schauen basierten auf rassifizierenden Stereotypen und dienten der Hierarchisierung von Menschen.
Die Historiker betonen, dass die Schauen in Hannover zur Fortführung von rassistischen Hierarchien bis in die Gegenwart beigetragen haben. „Um die Geschichte zu verstehen, müssen wir sie erst einmal beleuchten“, sagte Casdorff. Die Studie ist nun auf der Website des Zoos kostenfrei verfügbar.
Die Studie „Die Zurschaustellung von Menschen im Zoo Hannover von 1878 bis 1932. Ein Forschungsbericht im Spiegel zeitgenössischer Quellen“ von Dr. Clemens Maier-Wolthausen und Dr. Franziska Jahn wird unter https://www.zoo-hannover.de/koloniale-spuren zum kostenfreien Download angeboten.