66 Johanniter aus Hannover lösen heute Abend Einheiten in Bad Neuenahr-Ahrweiler ab
HANNOVER (PM). Der Großeinsatz der Johanniter des Landesverbandes Niedersachsen/Bremen in Bad Neuenahr-Ahrweiler wird weitergeführt. Seitdem vor zwölf Tagen Starkregen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ganze Regionen in Wasser und Schlamm versinken ließ, wird gesucht, gerettet und geborgen, geschaufelt und aufgeräumt. Kräfte gehen zur Neige, Verstärkung wird dort dringend gebraucht. Heute Morgen starteten um zehn Uhr aus dem Johanniter-Ortsverband Hannover-Wasserturm 66 Helferinnen und Helfer nach Bad Neuenahr-Ahrweiler, um ihre seit Freitagabend dort tätigen Kollegen aus den Regionalverbänden Südniedersachsen und Harz-Heide für die kommenden zwei Tage abzulösen.
In 29 Fahrzeugen, vom Einsatzleitwagen über Rettungwagen bis zum Mannschaftstransportwagen mit angehängtem Lichtmast, machten sie sich auf den Weg. Ihre Hauptaufgaben sind die Verpflegung von bis zu 500 Einsatzkräften und der Betrieb von zwei festen und einer mobilen Unfallhilfsstelle. Sie werden zudem in der psychosozialen Betreuung von Bewohnern und Einsatzkräften tätig, werden Kurierdienste in schwer zugängigem Gebiet übernehmen und überall dort mit anpacken, wo Hilfe gebraucht wird. Konkret zum Einsatz kommen aus dem Ortsverband Hannover-Wasserturm: eine Führungsgruppe Sanität/Betreuung, der 3. Einsatzzug Sanität/Betreuung, eine Verpflegungsgruppe, eine Patiententransportstaffel und eine dreiköpfige PSNV-Staffel (Psychosoziale Notfallversorgung). Wer sind die Helferinnen und Helfer, die sich auf die Alarmierung hin spontan gemeldet, ihre Sachen gepackt und die Einsatzkleidung angezogen haben? Wie sehen sie dem Einsatz entgegen und was haben sie in den Stunden seit der Alarmierung gemacht?
Dana Jörk (Gruppenführerin Verpflegung) und ihre Kollegen haben einen Großeinkauf hinter sich. Bis zu 500 Einsatzkräfte werden sie zwei Tage lang mit Frühstück, Mittagessen und Abendessen versorgen. Sie haben unter anderem Brot, Käse und Wurst in riesigen Mengen, Kaffee und Tee auf einer Palette, 30 Kilogramm Quark, 15 Kilogramm Joghurt und zahllose Tüten Studentenfutter dabei. Dazu reichlich Getränke und Wasser, sowie 1000 Liter Trinkwasser extra. Dana Jörk: „Das werden wir vor Ort sofort brauchen, da können wir nicht warten.“ Einen Essensplan gibt es natürlich auch schon: Nudeln Bolognese, Putengulasch mit Gemüse, Spinatpizza.
Michael Scholz (Leiter Motorradstaffel) fährt mit drei Kollegen und zwei Maschinen. Ihre Aufgabe begann schon bei der Abfahrt mit der Absicherung des Verbandes. Im Einsatzgebiet werden sie als Melder, Lotsen und wendige Transportfahrer eingesetzt. „Wir kommen schnell von A nach B und haben Stauraum in den Satteltaschen und Rucksäcken“, sagt Michael Scholz. In solchen Einsätzen gilt für die Kollegen und ihn: „Wir kleben nicht an den Sätteln.“ Der Koch und Berufsschullehrer kann auch die PSNV-Staffel bei der Betreuung hilfebedürftiger Menschen unterstützen.
Für die 19-jährige Madleen Seeland (Sanitätshelferin) ist es der allererste Einsatz. Über den Schulsanitätsdienst kam sie zu den Johannitern, im August beginnt sie einen Bundesfreiwilligendienst. Sie sagt: „Ich begegne dem Ganzen mit großem Respekt. Wer weiß, was uns dort erwartet? Niemand kann vorhersagen, was für Begegnungen wir haben werden und was uns dort geschieht?“
Das wiederum weiß ihr Kollege Colin Hieronimus (Notfallsanitäter) ganz genau. Hinter ihm liegen Einsätze im kriegerischen Mazedonien, nach dem schweren Erdbeben in der Türkei, er war beim Elbe-Hochwasser 2002 ebenso dabei wie beim Zugunglück in Eschede und zahlreichen Bombenräumungen in Hannover. „Wichtig ist eine verlässliche, gute und ruhige Führung“, sagt er aus Erfahrung. Denn dann funktioniert auch der Verband und die Neuzugänge können von den altgedienten Kollegen lernen.
Seit fast 39 Jahren ist Ralf Kölling (Präsidiumsmitglied) bei den Johannitern dabei, an das Elbe-Hochwasser kann er sich ebenfalls noch gut erinnern. Nach einem Doppeleinsatz am vergangenen Wochenende mit erst einer Rettungshunde-Prüfung und dann der Bomben-Evakuierung in Hannover-Misburg, fährt er nun für den Einsatzbereich Führung/Kommunikation mit. Warum er das tut? „Weil es mein Leben ist.“
Hinter Andreas Honsell (Mitarbeiter Logistik) liegt eine Pack-Meisterleistung. Er hat die Reiseapotheke des Verbandes zusammengestellt: Gitterboxen voller Verbandsmaterial, Medikamente gegen Durchfall und Erbrechen, 200 Tetanus-Impfungen und vieles mehr: „Wir müssen mit Erkrankungen durch verunreinigtes Wasser rechnen und dürfen Covid-19 dabei nicht vergessen.“ Corona-Schnelltests, Handschuhe und Schutzmasken gehören ebenfalls mit ins Gepäck.
Die ersten Hilfeleistungen in diesem Einsatz liegen schon hinter Alf Guckes (Staffelleiter Psychsosoziale Notfallversorgung). Er hat Kollegen betreut, die in den ersten Stunden der Katastrophe mit Helikoptern lebende und tote Menschen aus dem Wasser geborgen haben. „In solchen Einsätzen erleben Helfer Dinge, die sie sich nicht haben vorstellen können. Da ist nichts sicher“, sagt er. Sein Blick – und der seiner Kolleginnen Daniela Dürkes und Bettina Martin – ruht auch auf den jungen Helferinnen und Helfern, die mit noch wenig Erfahrung in diesen Einsatz gehen. Und für die Bewohner vor Ort, die in wenigen Stunden alles verloren haben, sind sie ebenfalls da.
Verabschiedet wurden alle ehrenamtlich Aktiven heute Morgen von Regionalvorstand Michael Homann. „Um zwei Dinge möchte ich euch bitten“, sagte er den Helferinnen und Helfern: „Nehmt Rücksicht auf die Verfassung der Menschen vor Ort, die sich seit fast zwei Wochen in dieser Katastrophe befinden. Und passt auf Euch auf. Gute Fahrt!“