Niedersachsen veröffentlicht „Lagebild Cybercrime und Kinderpornografie 2023“
Zunahme von Cyberangriffen und Kinderpornografie führt zu verstärkten Ermittlungen und Präventionsmaßnahmen
HANNOVER (redu). Die niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, und Landespolizeipräsident Axel Brockmann haben das „Lagebild Cybercrime und Kinderpornografie 2023“ vorgestellt. Die Zahlen zeigen einen Anstieg der Fälle und verdeutlichen die wachsende Bedrohung durch Cyberkriminalität und Kinderpornografie in Niedersachsen.
Die niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, hat am 3. Juni 2024 gemeinsam mit Landespolizeipräsident Axel Brockmann das „Lagebild Cybercrime und Kinderpornografie 2023“ für Niedersachsen vorgestellt. Ein Ermittler aus der Polizeidirektion Göttingen bot zudem Einblicke in ein internationales Ermittlungsverfahren gegen eine weltweit agierende Ransomware-Gruppierung.
Cybercrime
Cybercrime hat sich zu einem komplexen kriminellen Wirtschaftszweig entwickelt, der sowohl Privatpersonen als auch Wirtschaftsunternehmen und staatliche Institutionen, insbesondere deren kritische Infrastrukturen, bedroht. Die Fallzahlen und Schadenssummen steigen kontinuierlich. Eine aktuelle Dunkelfeldstudie des Landeskriminalamtes Niedersachsen (LKA) zeigt, dass nur rund ein Viertel aller computerbezogenen Straftaten überhaupt angezeigt wird. Trotzdem registrierte die Polizei in Niedersachsen im Jahr 2023 insgesamt 13.218 Cybercrime-Fälle, im Vergleich zu 12.197 Fällen im Jahr 2022. Dies entspricht einem Anstieg von rund 40 Prozent über fünf Jahre. Es wurden 3.422 Tatverdächtige ermittelt, verglichen mit 3.226 im Vorjahr.
Besonders betroffen waren der Versicherungsbereich, das Gesundheitswesen, der Luftfahrt- und Lebensmittelsektor sowie der Verkehrsbereich. Im Jahr 2023 wurden 81 Ransomware-Angriffe (2022: 104) und 15 DDOS-Angriffe (2022: 15) auf verschiedene Institutionen registriert. Diese Attacken führten zu internen Störungen der Unternehmensprozesse und erhöhtem Arbeitsaufkommen, jedoch konnten die betroffenen kritischen Infrastrukturen jederzeit aufrechterhalten werden.
Ministerin Behrens erklärte dazu: „Wir leben in einer Zeit, in der das Internet und die digitalen Technologien unseren Alltag maßgeblich beeinflussen. Kriminelle, die im und über das Netz agieren, nutzen diese Mittel für ihre Zwecke und bedrohen neben Privatpersonen und Unternehmen zunehmend auch staatliche Institutionen und deren sensible Infrastrukturen.“
Im Kampf gegen Cybercrime und Kinderpornografie wird die erforderliche Ausstattung und das notwendige Personal kontinuierlich gestärkt. Rund 600 Personen sind mittlerweile in spezialisierten Dienststellen innerhalb Niedersachsens mit den Ermittlungen betraut. Jede Polizeidirektion und das LKA verfügen über ein Fachkommissariat Cybercrime mit behördenweiter Zuständigkeit für herausragende Cybercrime-Fälle.
In Zeiten zunehmender Vernetzung gilt es, auch die Resilienz der Wirtschaft gegen steigende Gefahren aus dem Cyberraum weiter auszubauen. Die Zentrale Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) im Landeskriminalamt Niedersachsen veranstaltet seit letztem Jahr gemeinsam mit der IHK Niedersachsen Cyberabwehrübungen für die niedersächsische Wirtschaft mit simulierten Ransomware-Angriffen.
Auch die Bevölkerung ist im Visier der Hacker. Fakeshops werden eingerichtet, um bezahlte Schein-Angebote nicht zu liefern oder um an Zugangsdaten für das Onlinebanking zu gelangen. Angriffe auf das Onlinebanking sind innerhalb eines Jahres um weitere 10 Prozent auf 2.803 Fälle gestiegen (2022: 2.564). Die Schadenssumme betrug 14,4 Millionen Euro (2022: 13,7 Millionen Euro). Cyberkriminelle nutzen Techniken wie Phishing-E-Mails, Malware und Keylogger, um Zugriff auf Bankdaten zu erhalten. Gestohlene Daten werden im Darknet verkauft oder für betrügerische Zwecke verwendet. Laut einer repräsentativen Dunkelfeldstudie des LKA wurden im Jahr 2022 rund drei Viertel der von der Bevölkerung festgestellten Cybercrimedelikte nicht angezeigt.
Landespolizeipräsident Brockmann betonte: „Das Anzeigenaufkommen aus der Bevölkerung und der Wirtschaft hat sich seit 2012 verdreifacht, beträgt aber dennoch nur rund 24 Prozent. Nur wenn uns die Delikte bekannt werden, ist es der Polizei möglich, Täter zu ermitteln, die Phänomene effektiv zu bekämpfen und präventive Strategien zu entwickeln. Daher ist es von großer Bedeutung, die Taten nach ihrer Entdeckung anzuzeigen.“
Umfangreiche Präventionshinweise für Bürger stehen online und in den Polizeidienststellen bereit. Der Ratgeber Internetkriminalität des LKA und das Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) stellen Tatvarianten anschaulich vor, geben Tipps zum Schutz und erklären, was im Schadensfall zu tun ist.
Kinder- und Jugendpornografie
Im Bereich der Verbreitung, des Erwerbs, Besitzes und der Herstellung kinderpornografischer Schriften registrierte die niedersächsische Polizei im Jahr 2023 insgesamt 6.855 Fälle, verglichen mit 4.702 Fällen im Jahr 2022. Zudem gab es 1.126 Fälle von Jugendpornografie (2022: 786 Fälle). Der Anstieg von rund 45 Prozent ist auf eine erhöhte Sensibilisierung der Bevölkerung und der Netzwerkbetreiber zurückzuführen. Insbesondere Hinweise aus dem Ausland auf Basis automatisierter Scan-Prozesse amerikanischer Provider führen zu polizeilichen Ermittlungen.
Innenministerin Behrens betonte: „Angesichts des Leids der betroffenen Kinder und Jugendlichen müssen wir in Deutschland Lösungen finden, um IP-Adressen lange genug vorzuhalten, um diese Straftaten effektiv zu verfolgen. Es ist inakzeptabel, dass wir noch immer größtenteils auf Hinweise aus den USA angewiesen sind, weil uns die notwendigen Daten hierzulande nicht zur Verfügung stehen.“
Mehr als die Hälfte des polizeilich sichergestellten Datenmaterials (4,7 von 8,46 Petabyte) und mehr als jeder dritte Datenträger (13.118 von 34.218) bezieht sich auf kinder- und jugendpornografische Inhalte. Die Auswertung dieser Datenmengen stellt die Strafverfolgungsbehörden vor große Herausforderungen.
Anfang 2024 wurde eine mehrjährige Testphase einer durch das LKA Niedersachsen entwickelten KI-Software zur Pornografie-Erkennung beendet und die Software in den Regelbetrieb überführt. „Die Nutzung von KI trägt zur Beschleunigung der Ermittlungsverfahren und dem frühzeitigen Erkennen andauernder sexueller Missbrauchshandlungen bei. Dadurch können wir Täter schneller ermitteln und die Arbeitsbelastung der Ermittler reduzieren,“ so Behrens.