Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs

BERLIN (PM). In einer Telefonschaltkonferenz zwischen der Bundeskanzlerin und den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder wurde heute folgender Beschluss:

Deutschland hat die Herausforderungen der Coronavirus-Pandemie dank engagierten Zusammenwirkens aller gesellschaftlichen Akteure und vor allem der Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Monaten gut bewältigt. Eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems konnte durch zielgerichtete Maßnahmen verhindert werden.

Trotz der dadurch möglich gewordenen Öffnungen in den vergangenen Wochen und Monaten ist das Infektionsgeschehen derzeit noch deutlich niedriger als zur Hochphase im März und April. In den letzten Wochen sind die Infektionszahlen jedoch wieder gestiegen. Als besonders begünstigend für die Ausbreitung des Virus stehen weiterhin Gemeinschaftsunterbringungen, Veranstaltungen, Feiern und die urlaubsbedingte Mobilität im Mittelpunkt. Dieser Anstieg in den Sommermonaten ist deshalb besonders ernst zu nehmen, weil die im Sommer verstärkten Aktivitäten im Freien eine Eindämmung des Virus eigentlich eher begünstigen, während damit zu rechnen ist, dass mit dem Beginn der kalten Jahreszeit die Infektionsrisiken eher steigen.

Niedrige Infektionszahlen sind aber die Voraussetzung dafür, dass die Infektionsausbreitung kontrollierbar bleibt, das Gesundheitswesen nicht überlastet wird und durch eine solche stabile Situation sich die Wirtschaft und damit auch die soziale Lage in Deutschland positiv entwickeln kann.

Deshalb verfolgen Bund und Länder das Ziel, gemeinsam die Infektionszahlen wieder so weit wie möglich zu senken. Jetzt gilt es, eine erneute exponentielle Verbreitung durch gegenseitige Rücksichtnahme, Umsicht und Vorsicht zu verhindern, um zur Pandemiebekämpfung erforderliche Einschränkungen auf Dauer möglichst gering halten zu können. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass es regional sehr unterschiedliche Infektionsgeschehen gibt. Hohe Infektionszahlen erfordern und legitimieren andere Maßnahmen als niedrige Infektionszahlen. Deshalb bedeutet ein abgestimmtes Handeln, dass nach gleichen Prinzipien, aber immer angepasst an das regionale Infektionsgeschehen gehandelt wird.

Vor diesem Hintergrund vereinbaren Bund und Länder folgende Eckpunkte für das weitere gemeinsame Vorgehen bei der Eindämmung der COVID19-Pandemie:

A. Rücksicht, Umsicht, Vorsicht

1. In dem Bestreben, einschränkende Maßnahmen abzumildern, soweit es das Infektionsgeschehen zulässt, konnten auf Basis der Beschlüsse der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder verantwortungsvoll und schrittweise Öffnungen in zahlreichen Lebensbereichen ermöglicht werden. Bund und Länder sind sich aber einig, dass in Zeiten relevant erhöhter und steigender Infektionszahlen weitere größere Öffnungsschritte vorerst nicht zu rechtfertigen sind. Regionale Anpassungen bleiben weiter möglich.

2. Vielmehr haben Bürgerinnen und Bürger beispielsweise weiter grundsätzlich einen Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Diese Maßnahme wird ergänzt durch eine Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten öffentlichen Bereichen, an denen der Abstand nicht durchgängig gewahrt werden kann, durch konsequente Hygienemaßnahmen und das Instrument der Kontaktbeschränkungen. Insbesondere die Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten öffentlichen Bereichen gilt verbindlich und muss entsprechend von den Ordnungsbehörden konsequent kontrolliert und sanktioniert werden. Die Länder werden das Mindestregelbußgeld für Verstöße gegen die Maskenpflicht auf mindestens 50 € festlegen. Die Verkehrsminister von Bund und Ländern werden gebeten zu prüfen, wie darüber hinaus für alle Verkehrsträger im Regional- und Fernverkehr die Voraussetzungen dafür geschaffen werden können, dass ein -wie ein Bußgeld wirkendes- erhöhtes Beförderungsentgelt eingeführt werden kann.

B. Test-, Quarantäne- und Nachverfolgungsregime; Reiserückkehrer

3. Testungen sind von entscheidender Bedeutung für die Eindämmung von Corona-Infektionsketten und damit die Verhinderung unkontrollierter Ausbruchsgeschehen.

Die Vielzahl an positiven Testungen bei Reiserückkehrern aus Risikogebieten zeigt, dass ein zielgerichtetes Testen erforderlich ist. Bei den freiwilligen Testungen von Rückreisenden aus Nicht-Risikogebieten war die Zahl der festgestellten Infektionen dagegen außerordentlich gering. Deshalb endet die Möglichkeit zur kostenlosen Testung für Einreisende aus Nicht-Risikogebieten am Ende der Sommerferien aller Bundesländer mit dem 15. September 2020.

4. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder weisen darauf hin, dass Reiserückkehrer aus Risikogebieten in jedem Fall verpflichtet sind, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort zu isolieren (Quarantäne). Durch geeignete Informationsmaßnahmen an den Grenzen und in den Urlaubsgebieten wird der Bund hierüber verstärkt aufklären. Bund und Länder appellieren mit Nachdruck an alle Reiserückkehrer, ihre Quarantänepflicht einzuhalten und damit ihrer Verantwortung für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger nachzukommen. Wo immer möglich, ist auf Reisen in ausgewiesene Risikogebiete verzichten. Bund und Länder streben kurzfristig eine Rechtsänderung mit dem Ziel an, dass bundeseinheitlich eine Entschädigung für den Einkommensausfall dann nicht gewährt wird, wenn eine Quarantäne aufgrund einer vermeidbaren Reise in ein bei Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet erforderlich wird. Die Länder werden dafür Sorge tragen, dass die Kontrolle Quarantänepflichten vor Ort intensiv wahrgenommen wird und bei Pflichtverstößen empfindliche Bußgelder verhängt werden.

5. Bei Reiserückkehrern aus Risikogebieten ist zudem eine unverzügliche Übermittlung der Aussteigekarten an die zuständigen Gesundheitsämter innerhalb eines Tages zur Überwachung der Einreisequarantänepflicht zu gewährleisten. Die Länder stellen die darauf aufbauenden Kontrollen sicher. Der Bund erarbeitet unter Hochdruck eine „elektronische Einreiseanmeldung“ die den Meldeprozess bis hin zu den örtlichen Gesundheitsämtern digitalisieren wird.

6. Die Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten hat zur frühzeitigen Identifikation vieler Infizierter unter den Rückkehrern geführt. Dieses Instrument wird für die Risikogebiete vorerst aufrechterhalten, bis eine effektive Umsetzung der Quarantänepflicht nach 4. und 5. gewährleistet ist. Daneben streben Bund und Länder weitere Vereinbarungen mit den Risikoreiseländern  über die bereits bestehende Vereinbarung mit der Türkei an, wonach Rückreisende im Reiseland vor der Rückreise verbindlich getestet werden, sodass bereits eine Rückreise von akut Infizierten möglichst vermieden wird.

7. Die bisherige Möglichkeit in zahlreichen Bundesländern, durch einen Test kurz vor oder nach der Einreise nach Deutschland die Selbstisolation frühzeitig beenden zu können, beinhaltet das Problem, dass Infektionen am Ende des Aufenthalts im Risikogebietes oder während der Rückreise nicht erfasst werden. Deshalb wird möglichst ab 1. Oktober 2020 eine neue Regelung zur Selbstisolation (Quarantäne) für Reisende aus Risikogebieten eingeführt. Danach ist eine vorzeitige Beendigung der Selbstisolation frühestens durch einen Test ab dem 5. Tag nach Rückkehr möglich. Der Bundesminister der Gesundheit wird in Absprache mit der Gesundheitsministerkonferenz beauftragt, die Teststrategie entsprechend anzupassen und dabei auch die Frage der Kostentragung der Tests noch einmal zu prüfen. Das Bundesministerium des Innern wird gebeten, eine entsprechende Änderung der Musterquarantäneverordnung vorzulegen.

8. Die Sicherung ausreichender Testkapazitäten mit zugehöriger Logistik und Infrastruktur ist ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der Fortschreibung einer gemeinsamen Teststrategie. Dabei sind ausreichende Testkapazitätsreserven sicherzustellen, etwa für systematische Reihentestungen bei Ausbrüchen. Die Länder bitten den Bund, einen Bericht über die vorhandenen Kapazitäten und neue diagnostische Optionen vorzulegen. Auf Basis dieser Analysen werden Bund und Länder die Testkapazitäten soweit möglich ausbauen.

9. Im Rahmen der Teststrategie werden symptomatische Verdachtsfälle und enge Kontaktpersonen wie bisher prioritär getestet. Gleiches gilt für Testungen, um in gefährdeten Bereichen vorzubeugen, etwa in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Angesichts der weitgehenden Rückkehr zum Regelbetrieb in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen sehen die Länder je nach Infektionsgeschehen daneben auch zielgerichtete Testungen, vor allem bei den Lehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern, vor. Die Jugend- und Familienkonferenz sowie die Kultusministerkonferenz der Länder werden beauftragt, unter Berücksichtigung der verfügbaren Testkapazitäten mit der Gesundheitsministerkonferenz ein Konzept für die gezielte Testung in Bildungsund Betreuungseinrichtungen abzustimmen. Bestandteil der Teststrategie sollten auch örtliche Testzentren sein, an denen schnell, unbürokratisch und zuverlässig sowohl Einzelpersonen als auch größere Gruppen getestet werden können. Der Bund wird die Kostentragungsregelungen wo notwendig entsprechend anpassen.

10. Das Bundesministerium für Gesundheit wird mit dem Robert-Koch-Institut, die vorliegenden Studien und Erkenntnisse zur Dauer der Quarantäne auswerten, den Austausch und die Abstimmung mit den europäischen Partnern und dem ECDC in dieser Frage suchen und sodann den Ländern dazu einen Bericht und ggf. Schlussfolgerungen vorlegen. In diese Überlegungen fließt auch die Frage ein, ob der Nachweis von Nicht-Infektiösität trotz positiver PCR mittels eines positiven Antikörpertests (lgM / lgG) oder eines bestimmten Ct-Werts die Quarantäne-Zeit verkürzen kann.

11. Der weiterhin massive Ausbau des Personalbestands im Öffentlichen Gesundheitsdienst, eine technisch bessere Ausstattung, ein durchgängig medienbruchfreier Datenaustausch und zukunftsfähige Strukturen sind zur nachhaltigen Sicherung der Leistungsfähigkeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes unabdingbar. Hierzu haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder die Gesundheitsministerkonferenz mit der Vorlage des „Paktes für den öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD)“ beauftragt, der in Kürze vorgestellt und umgesetzt wird. Der Auftakt zur Umsetzung des Paktes soll bei einer Konferenz auf Einladung der Bundeskanzlerin zu den Herausforderungen für den öffentlichen Gesundheitsdienst am 8. September 2020 erfolgen.

C. Schulbetrieb

12. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bekräftigen die Bedeutung des Schulbetriebs für den Bildungserfolg der jungen Generation. Deshalb werden große Anstrengungen unternommen, um einen Präsenzschulbetrieb mit guten Hygienekonzepten zu ermöglichen und dort, wo dies nicht möglich ist, verlässliche digitale Homeschooling-Angebote zu machen. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass die Hygienekonzepte auf der Grundlage der Cluster-Strategie so gestaltet werden, dass Schulschließungen und weitgreifende Quarantäneanordnungen möglichst vermieden werden können. Für die breite Akzeptanz der Hygienevorschriften im Schulbetrieb ist es wesentlich, dass diese nach bundesweit, in der Kultusministerkonferenz vereinbarten, vergleichbaren Maßstäben erfolgen. Gesetzlich Versicherte haben Anspruch auf Kinderkrankengeld. Angesichts der SARS-CoV2-Pandemie kann der bestehende Anspruch in manchen Fällen nicht ausreichen. Deshalb wird der Bund gesetzlich regeln, dass das Kinderkrankengeld im Jahr 2020 für 5 weitere Tage pro Elternteil (10 Tage für Alleinerziehende) gewährt wird.

13. Bund und Länder werden in jedem Fall ihre Anstrengungen für den Ausbau digitaler Lehr-, Lern- und Kommunikationsmöglichkeiten für Schulen, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer intensivieren. Handlungsfelder sind insbesondere die weitere Verbesserung der digitalen Infrastruktur, mehr digitale Endgeräte für Lehrerinnen und Lehrer, verlässliche Kommunikationslösungen und die Stärkung der digitalen Kompetenzen. Hierzu wird der Bund u. a. mit einem Sofortausstattungsprogramm mit einem Volumen von weiteren 500 Millionen Euro die Länder unterstützen. Bund und Länder werden den Ausbau der Breitbandanbindung weiter forcieren, um schnellstmöglich auch Lücken bei der Breitbandanbindung von Schulen zu schließen.

D. Umgang mit Veranstaltungen

14. Großveranstaltungen, bei denen eine Kontaktverfolgung und die Einhaltung von Hygieneregelungen nicht möglich ist, sollen mindestens bis Ende Dezember 2020 nicht stattfinden. Zum einheitlichen Umgang mit Zuschauern bei bundesweiten Sportveranstaltungen wird eine Arbeitsgruppe auf Ebene der Chefs der Staatskanzleien eingesetzt, die bis Ende Oktober einen Vorschlag vorlegen soll.

15. Die Bürgerinnen und Bürger sind zudem angehalten, die Zahl der Menschen, zu denen sie Kontakt haben, möglichst gering und den Personenkreis möglichst konstant zu halten. Leider haben die letzten Wochen gezeigt, dass gerade Feierlichkeiten im Familien- oder Freundeskreis Infektionen verbreiten können. Alle Bürgerinnen und Bürger werden daher gebeten, in jedem Einzelfall kritisch abzuwägen, ob, wie und in welchem Umfang private Feierlichkeiten notwendig und mit Blick auf das Infektionsgeschehen vertretbar sind. Wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m zu gewährleisten. Bevorzugt sollen diese Zusammenkünfte im Freien abgehalten werden. In geschlossenen Räumlichkeiten ist stets auf ausreichende Belüftung zu achten. In Abhängigkeit vom regionalen Infektionsgeschehen sind für private Feiern Beschränkungen zu erlassen, zum Beispiel durch die Absenkung der Höchstteilnehmerzahl.

E. Wirtschaftliche und soziale Hilfsmaßnahmen

16. Zur Stützung und Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland haben Bund und Länder schnell Hilfen auf den Weg gebracht, um Arbeitsplätze zu erhalten, den Fortbestand von Unternehmen zu sichern und soziale Notlagen zu vermeiden. Das kraftvolle Konjunktur- und Zukunftspaket des Bundes und die Pakete der Länder soll Deutschland schnell wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad führen. Das Bundesministerium für Wirtschaft erstellt wöchentlich einen Bericht zur wirtschaftlichen Lage und zur Inanspruchnahme der Hilfsprogramme. Darüber hinaus hat die Wirtschaftsministerkonferenz eine Arbeitsgruppe auf Fachebene eingerichtet, um die wirtschaftliche Lage und die Hilfsinstrumente laufend zu analysieren und damit Bund und Ländern eine bessere Steuerungsfähigkeit bei Maßnahmen für die wirtschaftliche Erholung Deutschlands ermöglichen.

17. Da die Pandemie andauert, sind immer wieder Anpassungen der unterstützten den Maßnahmen erforderlich. Die vom Koalitionsausschuss angekündigten Maßnahmen, wie etwa die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes, des vereinfachten Zugangs zur Grundsicherung und des Programms für Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen sind wichtige Schritte. Das 500 Mio.-Euro-Bundesprogramm zur Nachrüstung von umluftbetriebenen raumlufttechnische Anlagen muss schnell umgesetzt werden, damit diese bereits in diesem Herbst mit entsprechenden Virusfiltern betrieben werden. Die Länder werden darüber hinaus die Kommunen und Betriebe über die Problematik der Verbreitung des SARS-CoV2-Virus über umluftbetriebene raumlufttechnische Anlagen informieren und auch eigene Anstrengungen unternehmen, um die notwendigen Umrüstungen zügig umzusetzen.

Protokollerklärungen:
Sachsen-Anhalt wird kein Bußgeld für Verstöße gegen die Maskenpflicht einführen.

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